Welche Erziehungsstile gibt es?

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„Vater werden ist nicht schwer, Vater sein dagegen sehr.“ Wilhelm Busch bezog diesen Spruch zwar nur auf den Vater, doch die Quintessenz gilt am Ende für beide Elternteile: Erziehung ist alles andere als ein Kinderspiel. Als Hilfestellung geben wir Ihnen hier einen kompakten Überblick über verschiedene Erziehungsstile und erläutern in diesem Zusammenhang bewährte Erziehungsmethoden.

Was wünschen Sie sich für Ihre Kinder?

Erziehungsstile sind Theorien, die versuchen, elterliches Verhalten unter einem übergeordneten Prinzip zusammenzufassen. In der Praxis haben jedoch oft keine theoretischen Erziehungsstile, sondern die Intuition die Zügel in der Hand. Manchmal sind Eltern mit ihrem Latein einfach am Ende. So ist beispielsweise die Trotzphase eine grosse Herausforderung in der Kindererziehung. Jetzt werden Ratgeber konsultiert, man erinnert sich an die eigene Erziehung und fragt Freunde mit älteren Kindern um Rat. Ebenso mischen sich Beobachter in kritische Situationen ein und tun ungefragt ihre Meinung kund. Die Verunsicherung der Eltern wächst. Jede Reaktion auf das kindliche Benehmen scheint ein Für und Wider zu haben.

Kind in der Trotzphase
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Falls Ihnen solche Phasen vertraut sind, empfehlen wir Ihnen: Überlegen Sie sich, was Sie sich für und von Ihrem Kind wünschen! Es gibt verschiedene Erziehungsmethoden, die alle ihre Berechtigung haben. Allerdings ist die Zielsetzung stets eine andere. Mit dem einen Erziehungsstil fördern Sie Selbstbewusstsein und Eigeninitiative, mit dem anderen Fleiss und Gehorsam. Wenn Sie das im Hinterkopf behalten, können Sie folgende Stile als Werkzeugkasten verstehen, der für jedes Problem verschiedene Lösungen parat hält.

Der autoritäre Stil: Zwischen Lob und Tadel

Der autoritäre Erziehungsstil war nach dem Krieg noch weit verbreitet. Dem heutigen Verständnis von Förderung und freier Entfaltung der Kinder entspricht er allerdings nicht mehr.

Kennzeichnend für den autoritären Erziehungsweg ist die klare Machtstellung des Erziehenden. Er legt fest, was getan werden soll, was richtig und was falsch ist. Diese Vorgaben macht er in klaren Regeln deutlich. Ungehorsam wird bestraft. Erwünschtes Verhalten wird belohnt. In dieser klaren Hierarchie zwischen Erziehendem und Kind finden Bedürfnisse und Vorstellungen der Kinder keine Beachtung. Die emotionale Unterstützung fällt gering aus. Im Fokus stehen Leistung und Gehorsam, während Selbstbewusstsein und Kreativität eher unterdrückt werden.

Mutter schimpft mit Kind
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Dieses auch als „Elterndiktatur“ bezeichnete Verhalten findet seinen Höhepunkt im autokratischen Stil. Hier fällt selbst das Lob weg und jede Empathie gegenüber den Zöglingen ist unerwünscht. Alles erzieherische Verhalten zielt alleine auf Schwächen und Strafen ab. Untersuchungen haben gezeigt, dass der autoritäre Stil beim Nachwuchs vermehrt zu aggressivem Verhalten führt. Es ist seine einzige Möglichkeit, Widerwillen gegen die Übermacht auszudrücken. Ausserdem entwickelt er eine sehr selbstbezogene Perspektive, was sich in egozentrischen Formulierungen mit häufigem „ich“ und „mein“ niederschlägt.

Laissez-Faire: Kindererziehung mit minimalem Einsatz

Diese Form der Kindererziehung stellt das absolute Gegenstück zum autoritären Stil dar. Statt permanent das kindliche Verhalten zu massregeln, herrscht eine egalitäre Haltung vor. Die Eltern überlassen es den Kindern, was sie tun wollen. Es gibt keine Vorgaben und keine Regeln. Die Erzieher sind auf einen möglichst geringen Energieaufwand bedacht. Im Extremfall, der auch als „negierender Stil“ bezeichnet wird, besteht überhaupt kein Interesse am Nachwuchs. Er wird gänzlich sich selbst und seine Entwicklung dem Zufall überlassen. Da fällt selbst die Trotzphase harmlos aus, weil gegen nichts getrotzt werden kann.

Wenn Kinder sich selbst überlassen werden
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Da die Erzieher keinen Rahmen vorgeben, sind die Kinder oft sehr verunsichert. Es fehlt ihnen Halt. Personen, die laissez-faire oder gar negierend aufgezogen worden sind, haben grosse Probleme im Erwachsenenalter. Sie tun sich mit zwischenmenschlichen Beziehungen sehr schwer, da sie nie den Umgang damit erlernt haben. In der Schule und im Arbeitsleben geraten sie in Konflikt mit Regeln und Grenzen, die für sie völlig ungewohnt sind. Ausserdem neigen sie vermehrt zu kriminellen Handlungen, Drogen- und Alkoholmissbrauch.

Antiautoritär: Der goldene Mittelweg

Dieser Erziehungsstil nahm in den 60er Jahren als Gegenbewegung zum vorherrschenden autoritären Leitprinzip seinen Anfang. Es sollte vermehrt auf die Bedürfnisse und Wünsche des Kindes eingegangen werden. Nach Gehorsam und Respekt standen nun eine selbstbewusste Persönlichkeit, Gemeinschaftssinn und Eigenständigkeit im Mittelpunkt der Kindererziehung.

Ein offener und gemischter Erziehungsstil
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In der Praxis bedeutet eine antiautoritäre Erziehung, dass es zwar Grenzen und Regeln gibt, diese aber so weit gesteckt sind, dass sie das Kind kaum einschränken. Im Zweifelsfall wird deren Einhaltung jedoch konsequent eingefordert. Innerhalb des Rahmens liegt der Fokus auf eigenständigen Entscheidungen des Kindes. Es soll Verantwortung für sich und sein Benehmen übernehmen. Die Erzieher bleiben dabei stets im Kontakt und geben emotionalen Rückhalt. Sie verhalten sich wertschätzend und machen durchaus auch Vorschläge.

Heutzutage ist dieser Erziehungsweg nahezu selbstverständlich.

Es konnte gezeigt werden, dass er Kindern zu mehr Unabhängigkeit und Erfolg im Erwachsenenalter verhilft. Problematisch wird es jedoch dann, wenn keine groben Grenzen gesteckt werden. Manche Eltern interpretieren die antiautoritäre Erziehung in diesem Sinne falsch und stellen gar keine Regeln auf. Das führt wiederum zu selbstsüchtigem und rücksichtslosem Verhalten auf Seiten des Nachwuchses.

Der demokratische Erziehungsstil

Aus dem antiautoritären Ansatz ist der sogenannte „demokratische“ Stil hervorgegangen. Er sieht das Kind als gleichberechtigtes Gruppenmitglied an. Alle Entscheidungen werden gemeinsam getroffen. Das führt zu langen Argumentationen, die ihrerseits Intellekt, sprachliches Ausdrucksvermögen und Selbstbewusstsein fördern.

Modern: Der demokratische Erziehungsstil
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Für die Erzieher geht dieser Erziehungsweg oft mit hohem Zeitaufwand und viel Geduld einher. Allerdings können sie die Geschehnisse ein wenig lenken, indem sie geeignete Vorschläge oder Möglichkeiten zur Diskussion vorgeben.

Erziehungsstile im Vergleich

In der Vorstellung der einzelnen Erziehungsstile ist deutlich geworden, welche Schwerpunkte für die Entwicklung des Kindes gesetzt werden. So möchte der autoritäre Stil vor allem Gehorsam und Unterordnung, während bei Laissez-faire die Selbstentfaltung im Zentrum steht und der antiautoritäre Erziehungsstil sich die Förderung der sozialen Kompetenzen auf die Fahnen geschrieben hat. Ebenso kann jede dieser Erziehungsmethoden negative Folgen nach sich ziehen. Dies reicht von Aggressionen und Unselbstständigkeit beim autoritären Stil über mangelnde Sozialkompetenz im Laissez-faire-Stil bis hin zu egomanischem Verhalten bei einer antiautoritären Erziehung.

Erziehungsmethoden in der Praxis

In der Praxis ist ein ausgewogener Mix aus den unterschiedlichen Erziehungsstilen am sinnvollsten. Das angemessene Vorgehen hängt sowohl vom Alter des Kindes als auch von der jeweiligen Situation ab. So macht es wenig Sinn, mit einem Kleinkind in der Trotzphase über Vor- und Nachteile von ausreichend Schlaf zu diskutieren. Bei einem 14-Jährigen ist dies eher zielführend. Auch kann man mit einem Jugendlichen über das zeitliche Ausmass von Computerspielen verhandeln. Ob er sich im Auto anschnallen muss, sollte jedoch nicht zur Debatte stehen.

Gemeinsam Spass an der Erziehung
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Ein wichtiger Punkt in jeder Erziehung ist es, dem Kind mit einer wertschätzenden und offenen Haltung entgegenzutreten. Krampfhaft an gewissen Prinzipien festzuhalten, ist sinnlos. Viel wichtiger ist hingegen Authentizität. Eltern sind keine perfekten Menschen. Das dürfen die Kinder sehr wohl erfahren.

Der demokratische Stil bildet dabei eine solide Grundlage. Doch fordern unsere Gesellschaftsstrukturen immer wieder die Akzeptanz bestimmter Gesetze. Daher muss auch diese Lektion im Kindesalter vermittelt werden. Idealerweise geschieht dies alles in einem liebevollen Rahmen, in dem Lob und Anerkennung gleichermassen eine Rolle spielen.